Artikel in Zwingliana - Beiträge zur Geschichte des Protestantismus in der Schweiz und seiner Ausstrahlung
"Man kann gewiß Capitos kirchen- und dogmengeschichtliche Bedeutung nicht mit derjenigen Luthers, Zwingiis oder Calvins vergleichen. Schon der viel geringere Umfang seines literarischen Oeuvres verweist ihn entschieden ins
zweite Glied der reformatorischen Phalanx. Auch fallen einem bei Capito nicht
Stunden von welthistorischer Tragweite auf,die das geistige Klima Europas auf lange Zeit hinaus bestimmten oder wenigstens mitbestimmten. Auch in Straßburg, wo Capito auf der Höhe seines Lebens 1523 bis 1546 als Reformator wirkte, stand er deutlich im Lichte oder Schatten des stärkeren und wendigeren Martin Bucer. Capito spielte die zweite Geige, und er spielte sie manchmal sogar zum Schrecken Bucers und Zwingiis dissonant etwa im freundlichen Umgang mit dem Wiedertäufer Cellarius und, noch viel verwirrender, in der Aufnahme des kaum zwanzigjährigen illuminanten, geheimnisvollen spanischen Jünglings Michael Servet durch den reifen, über fünfzigjährigen Capito 1531 in Straßburg.
Dennoch dürfte man auch von einem reformatorischen Kairos Capitos reden. Seine Stunde fällt in die gefährliche Krisenzeit der Reformation, wo nach dem ersten fröhlichen Wildwuchs mit der Confessio Augustana und besonders mit dem Abendmahlsstreit sich eine Stagnation abzeichnet und in der Schweiz durch die Niederlage der Zürcher im zweiten Kappelerkrieg plötzlich alles wieder auf dem Spiel steht. Besonders das politisch mächtige Bern, das die Reformation kurz zuvor zum guten Teil gegen den Willen der Bevölkerung durchgeführt hatte, geriet für einen Augenblick lang ins Wanken. Die Reformation drohte dort im Widerspruch auseinanderstrebender Kräfte paralysiert zu werden und zu versanden. In dieser entscheidungsgeladenen Stunde erscheint Capito zufällig in Bern. Die verstörte reformatorische Führung in Bern empfängt ihn wie einen Engel des Herrn, denn er legt ihr einen Traktat auf den Tisch, mit welchem die fraglich gewordene Konsolidierung der Reformation in Bern doch möglich wurde. Es handelt sich um den heute unter dem Namen «Berner Synodus 1532» bekannten, besser gesagt zu wenig bekannten Capito-Traktat, eine kleine Berufsanweisung für den reformatorischen Pfarrdienst.
In seinem Artikel geht Scholl auf Capitos Weg zur Reformation ein und stellt Capitos reformatorische Eigenart anhand der Analyse des Traktates «Waß man halten unnd antwurten soll von der Spaltung zwischen Martin Luther und Andres Carolstadtt.» (Straßburg bey Wolff Köpphel im october Anno 1524) dar.
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Zwingliana Ausgabe 16/2
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