2 Luther selbst
Von den geschichtlichen Auswirkungen der Taten und Worte Luthers über die Folgen für Religion und neue Entwicklungen in Kunst und Kirchengemeinde beschäftigt sich dieses Modul ausführlich mit Martin Luther selbst.
Es will nicht die ganze Breite seines Wirkens in allen Epochen untersuchen. Martin Luthers später Antijudaismus, religiös begründet und nicht rassenpolitisch, von den Nationalsozialisten als Begründung für den Massenmord an den Juden missbraucht, ist z.B nicht Gegenstand dieses Moduls.*
Inhaltliche Einführung
Martin Luther, am 10. November 1483 in Eisleben geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Mansfeld, wo er 1488-1497 die Stadtschule besuchte und eine Ausbildung in Grammatik, Logik und Rhetorik erhielt. Sein Vater, ein im Kupferbergbau erfolgreicher Unternehmer, schickte ihn an weiterführende Schulen in Magdeburg und Eisenach.
1501 schrieb sich Martin als Student an der humanistisch geprägten Universität Erfurt ein. Diese als auch die damals prosperierende Großstadt, initiierten Luthers intellektuellen und geistigen Aufbruch.
Den ersten wissenschaftlichen Grad eines Baccalaureus, ähnlich dem heutigen Bachelor, erwarb er 1502 und drei Jahre später den zweiten Grad eines Magister, ähnlich dem heutigen Master. Auf Wunsch seines Vaters begann Luther Jura zu studieren. Als er bei einem Gewitter in der Nähe von Erfurt nicht vom Blitz erschlagen wurde, legte Martin in Todesangst das Gelübde ab, Mönch zu werden.
Mit dem Eintritt ins Erfurter Augustiner-Eremiten-Kloster am 17. Juli 1505 begann für Martin Luther ein neuer Lebensabschnitt. Im Kloster wurde er 1507 zum Priester geweiht, studierte Theologie und wurde zu einer Lehrtätigkeit an die Wittenberger Universität berufen. Nach seiner Promotion zum Doktor der Theologie übernahm er dort 1512 die Bibel-Professur. Bereits 1510/11 erhielt er einen ersten Einblick in den zerrütteten Zustand der Kirche, als er in Ordensgeschäften nach Rom reisen musste. Besonders die Durchführung der Gottesdienste der italienischen Priester befremdete ihn. Beim Lesen, Studieren und Auslegen der Bibel wurde Martin Luther immer unzufriedener mit den konventionellen Antworten der Kirche.
Auf der Suche nach einem gnädigen Gott bezweifelte er in zunehmenden Maße die gängige kirchliche Bußpraxis, vor allem das Ablasswesen. Dass der Mensch sein Seelenheil erkaufen konnte, widersprach Luthers Erkenntnissen, die er beim Studium des Neuen Testaments aus dem Römerbrief gewonnen hatte. Die drei Grundaussagen seiner Entdeckung lassen sich zusammenfassen in:
Nicht durch gute Werke, sondern allein durch den Glauben wird der Mensch vor Gott gerecht (sola fide), Gott rechtfertigt den Menschen allein aus Gnade (sola gratia) und maßgebend für den Glauben ist allein die Schrift (sola scriptura).
Martin Luther, hoch motiviert und interessiert an einer Disputation über seine Erkenntnisse, verfasste deshalb 95 Thesen, verschickte diese am 31. Oktober 1517 an den Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Freunde in ganz Deutschland bzw. schlug diese vermutlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche an.
Die Thesen wurden schnell ins Deutsche übersetzt und mit großer Begeisterung aufgenommen. Papst Leo X. maß dem von Luther entzündeten Streit um den Ablass und das rechte Verständnis vom Evangelium zunächst keine größere Bedeutung bei. Als jedoch die Vorladung nach Rom und auch das Verhör durch den päpstlichen Legaten Cajetan in Augsburg ohne Ergebnis blieben, wurde Martin Luther zur Disputation nach Leipzig eingeladen. Im Streitgespräch mit dem Theologieprofessor Eck zweifelte Luther nun auch die Autorität des Papstes und der Konzile an. Die Folge war 1520 die Bannandrohungsbulle Leos X. Nachdem Luther diese in Wittenberg öffentlich verbrannte, sprach der Papst 1521 den Kirchenbann aus. Jetzt musste auch das weltliche Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Kaiser Karl V., reagieren. Er lud Luther 1521 zur Anhörung auf den Reichstag nach Worms ein. Hier sollte Luther alle seine Schriften widerrufen. Dazu gehörten: „An den christlichen Adel deutscher Nation“, in der ein umfangreiches Re-formprogramm für das christliche und weltliche Leben vorgestellt wird, „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ mit scharfer Kritik an der Sakramentenlehre der Kirche und die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, in der die Rechtfertigung des Menschen allein aus dem Glauben dargestellt wird.
Als Luther mit der Begründung „...nichts gegen sein Gewissen, das in den Worten Gottes gefangen ist ...“zu tun, den Widerruf verweigerte, belegte ihn der Kaiser mit der Reichsacht. Der exkommunizierte und für vogelfrei erklärte Luther befand sich nun in einer lebensbedrohli-chen Situation. Kurfürst Friedrich der Weise ließ ihn zum Schutz auf die Wartburg bringen, wo Martin als Junker Jörg ein knappes Jahr verbrachte.
Hier übersetzte er das Neue Testament der Bibel aus dem griechischen Urtext ins Deutsche, gemäß der Ideale der Humanisten – ad fontes – und beeinflusste damit nachhaltig die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Hochsprache.
Da Martin Luther später auch bei der Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen „dem Volk aufs Maul“ schaute, wurde die Bibel bald zum Volksbuch, zum Bestseller.
Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johann Gutenberg und die damit verbundenen Vervielfältigungsmöglichkeiten, trugen zur schnellen Verbreitung der reformatorischen Ideen bei.
Lucas Cranach und seine Werkstatt entwickelten neue Bildformeln für den protestantischen Glauben und gaben der Reformation mit den Porträts von Luther ein Gesicht.
Bedeutend für die notwendige Neuordnung des kirchlichen Lebens wurden Luthers Schriften über „Die Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes“ (1526) und der „Kleine Katechismus“(1529) für Schule und Familie, dem bald der „Große Katechismus“ vorrangig für die Pfarrer, folgte. Diese Schriften führten zur Einübung einer neuen Glaubenspraxis, die Unterschiede zur konventionellen Römischen Kirche waren jetzt unübersehbar.
* Zum Thema Antijudaismus bei Luther
bzw. in der Reformation empfehlen wir:
Thomas Kaufmann, Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011; siehe auch