Theologisch-Pädagogisches Institut (TPI) in Moritzburg

Materialien zur Reformation [www.tpi-moritzburg.de/reformation/]




Die Zeit der Reformation: (I) Einführung


3.1 Die Zeit 1500 - 1530



Der Zeitraum um 1500 kann als Umbruch und eine Art Wendezeit gesehen werden. Das Umfeld der Reformation ist geprägt von zahlreichen Entdeckungen, Prozessen und Ereignissen, die von den Zeitgenossen unterschiedlich aufgenommen werden. Der Zeitgeist schwankt zwischen einer Art Vorblüte „frühester Aufklärung“ und starker Frömmigkeit. Während Gelehrte und „Humanisten“ (von Erasmus bis Ulrich von Hutten) durchaus frühmodernes Gedankengut aufbauten, blühte andernorts der Wallfahrts- und Reliquienkult.

Inhaltliche Einführung



Das Umfeld der - laut traditioneller Deutung 1517 beginnenden - Reformation wird von Prozessen und Ereignissen begleitet, welche von den Zeitgenossen auch unterschiedlich gedeutet wurden. Hierbei kann der Zeitraum um 1500 als Umbruch und eine Art Wendezeit gesehen werden, aus dem Empfinden der Zeitgenossen heraus, aber sicher nicht immer im Sinn einer Verbesserung oder sensationellen Erweiterung. So kann man den berühmten Satz Ulrich von Huttens („Es ist eine Lust zu leben!“ ) gewiss nur für intellektuell interessierte und einigermaßen begüterte Kreise unterstreichen.

Das zeitliche Umfeld wird geprägt von zahlreichen Entdeckungen sowohl realer (z.B. geografischer) als auch wissenschaftlicher Art. Namen wie Christoph Kolumbus, Vascoa Gama oder Fernandes Magellan verbinden sich aus eurozentrischer Sicht mit der gewaltigen Erweiterung des real fassbaren Weltbildes (und mit gewaltsamen Eroberungen). Forscher- und Künstlergestalten wie Nikolaus Kopernikus, Leonardo da Vinci, Michelangelo und Albrecht Dürer stehen für neue Perspektiven in Astronomie und Kunst. Mittelalter und frühe Neuzeit überlappen sich!

Das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ durchlebt ebenfalls eine Verwandlung. Die Hausmacht der Habsburger sichert diesen zwar dauerhaft den Kaisertitel, verhindert aber nicht die Zunahme landesherrlicher Gewalt. Schon der Übergang vom „letzten Ritter“ Kaiser Maximilian (+1519) zu Karl V. (König 1519, de facto Kaiser ab 1520, Rücktritt 1556, + 1558) wird bei der Königswahl 1519 in Frankfurt am Main zu einem regelrechten Geschacher um die Macht im Reich. Auch das in kurfürstliche Taschen fließende und aus dem Verlagswesen stammende Geld der Fugger (Vgl. Baustein Vorreformation/Ablass) – heute würde man sie wohl als Oligarchen oder Tycoone bezeichnen – sichert dem aus dem fernen Spanien stammenden Karl die Königswahl. Die Kurfürsten und Neureichen der Zeit nutzen diese – und jede spätere – Gelegenheit, um die Macht des Königs bzw. Kaisers einzudämmen und den eigenen Vorteil zu sichern. Diese Auseinandersetzung um Zentralmacht und Partikularinteressen findet vor dem Hintergrund außenpolitischer Bedrohungen statt. Das Osmanische Reich („die Türkengefahr“) steht 1529 erstmals vor Wien, Frankreichs ehrgeiziger König Franz I. drängte auf der anderen Seite gegen die Westgrenze des Reiches! Der katholische Kaiser brauchte also in diesem Bereich die Unterstützung möglichst aller wichtigen Landesherren. Die komplizierten und auch mit Franz I. verbundenen Ereignisse in Italien (u.a. mit dem „Sacco di Roma“ 1527) seien hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Vor diesem Hintergrund war Karl V. keineswegs begeistert über neu auflodernde innere Konflikte in seinem fragilen Reich. Der seit 1495 geltende „Ewige Landfrieden“ gegen das Fehdeunwesen war schon schwer durchsetzbar gewesen, der Ritteraufstand um den Ritter von Sickingen 1522-23 stand bereits in Verbindung zum Thema Reformation. Karl V. konnte kein Interesse daran haben, dass sich Deutschland auch noch konfessionell spaltete! In diesem Sinn agierte er nach einer gewissen Bedenkzeit aktiv gegen Luther und stützte (nach einigen Vermittlungsversuchen zwischen Papst und Luther) die auf dem Reichstag zu Worms verhängte „Reichsacht“ über Luther. Dessen Flucht und „Verschwinden“ illustrierte bereits kurfürstliche Opposition gegen den Kaiser – Kurfürst Friedrich der Weise schützte den gebannten „Ketzer“ und gab ihm Unterschlupf auf der Eisenacher Wartburg. Dort entstand die Lutherbibel!

Die von dieser Schrift ausgehende protestantische Bewegung hatte zunächst die Tendenz zur Volkskirche „von unten her“, was sozialpolitische Folgen hatte. Infolge der komplexen Abläufe im „Bauernkrieg“ 1524/25 setzte Luther jedoch eindeutig auf die Ordnungskraft Staat – die von evangelischen Landesherren (Fürsten) ausgehenden bzw. beschirmten Landeskirchen formierten sich, mit allen zu diskutierenden Vor- und Nachteilen für die Ausprägung der neuen Kirche.
Nach der Niederschlagung des sich z.T. auf Luther berufenden Bauernaufstands war auch die gegenüber „dem gemeinen Volk“ geschlossene Interessenlage von evangelischen und altgläubig-katholischen Landesherren aufgebraucht. Die Protestanten formierten sich 1530/31 gegenüber Kaiser und Katholizismus (Confessio Augustana/Schmalkaldischer Bund).

Der Zeitgeist schwankte derweil zwischen einer Art Vorblüte „frühester Aufklärung“ und starker Frömmigkeit. Während Gelehrte und „Humanisten“ (von Erasmus bis Ulrich von Hutten) durchaus frühmodernes Gedankengut aufbauten, blühte andernorts der Wallfahrts- und Reliquienkult.

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