3.3 Frieden 1500 - 1530
1500-1530, die Zeit der Reformation, war eine Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen. Könige, Herzöge, Grafen und Städte kämpften gegeneinander, der Kaiser führte Krieg gegen den Papst. Die Einnahme und Verwüstung Roms 1527 durch die kaiserliche Armee Karls V. bilden einen der Tiefpunkte dieser Zeit. Es war die Zeit, in der Päpste, Erzbischöfe, Bischöfe, Prälaten und Äbte als Kriegsfürsten auftraten, Adel und Geistlichkeit gegeneinander kämpften. Gegen diese Zustände erhoben sich aber auch Stimmen. Besonders die mangelnde Friedfertigkeit der Geistlichen empörten Erasmus von Rotterdam und Luther und auch der Reichsritter, Humanist und Poet Ulrich von Hutten griff dieses Verhalten scharf an.
Inhaltliche Einführung
Erasmus ging es darum, die christliche Einheit und Kultur zu bewahren und sie auch gegenüber der nichtchristlichen Welt zu zeigen und zu behaupten. Deshalb äußerte er sich scharf gegen die Kriege unter den europäischen christlichen Fürsten; deshalb ging es ihm darum, diese zu verhindern. In seiner „Klage des Frieden“ (1517) lässt er den Frieden selbst den Machtmissbrauch der christlichen Herrscher angreifen und von ihnen zu fordern, dem Ruf ihres Königs Jesus Christus zum Frieden zu folgen.
In dieser Zeit wird das Thema „Freiheit“ zum Schlüsselthema für Martin Luther. Das Jahr 1517 wird erst durch seine Voraussetzungen verständlich: die Sehnsucht nach religiöser, sozialer und politischer Befreiung und Erneuerung am Vorabend der Reformation. Ansätze zu Kritik und Widerstand sowohl hinsichtlich der sozialen, wirtschaftlichen und politischen als auch der geistigen und religiösen Situation um 1500 spiegeln Holzschnitte und Texte jener Zeit. Luthers Lebens- und Glaubenskrise als junger Mann, seine neue Gotteserkenntnis und Selbsterfahrung bieten den Hintergrund zu seiner Position im Ablassstreit. Seine Einwände gegen das Ablasswesen hatten äußere und innere, kirchliche und gesellschaftliche Konsequenzen. Der Theologenstreit entwickelte sich zur Volksbewegung, wie die Aufnahme der Freiheitsbotschaft durch die Zeitgenossen zeigt. Zugleich kommt es zu ersten Auseinandersetzungen und Trennungen in der reformatorischen Bewegung, wenn es um den rechten Verstand und Gebrauch der christlichen Freiheit geht; vgl. Wittenberger Unruhen, die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben, Erasmus von Rotterdam, Huldrych Zwingli, Thomas Müntzer.
Luther unterscheidet in der Entfaltung seines Freiheitsverständnisses zwischen ‚innerem‘ und ‚äußerem‘ Menschen, zwischen Evangelium und Gesetz, zwischen göttlichem und weltlichen Regiment. Er fragt nach dem Ursprung und Wesen christlicher Freiheit, erörtert die ethischen Konsequenzen der im Glauben erfahrenen Freiheit und die Frage nach Gehorsam und Widerstand. In diesen Zusammenhang gehört auch die Friedenspflicht der Christen und das Problem des ‚gerechten Krieges‘.
Diese Frage wird ebenfalls von Erasmus von Rotterdam in seiner "Klage des Friedens" von 1517 aufgeworfen und von Sebastian Franck in seiner Schrift "Das Kriegsbüchlein des Friedens" von 1539. In ihr nimmt er auf Erasmus und Luther Bezug. Martin Luthers Friedensvorstellungen lassen sich aus mehreren Schriften ermitteln. Da ist die Schrift "Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei" (1523) zu nennen, da sind die drei Schriften aus dem Jahre 1525: "Vermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben", "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" und "Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern". Auch seine Antwort auf die Frage des Ritters Assa von Cramm, „ob man als Soldat in einem gottwohlgefälligen Stande lebt“ ("Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können" von 1526), gehört hierher.
Martin Luthers Friedensvorstellungen
Luthers (existentielle) Entdeckung der befreienden Kraft des Evangeliums (der „Rechtfertigung allein aus dem Glauben“) bezog sich nach seinem Verständnis allein auf den „inneren“ Menschen. Im Zuge des Streits über den „neuen Glauben“ sah er sich jedoch zunehmend konfrontiert mit einer Inanspruchnahme der biblischen Tradition nicht nur für die Kritik an der Kirche, sondern auch für den Wunsch/ die Forderung nach sozialer und politischer Befreiung (vgl. auch Bausteine „Wie die Freiheit in den Glauben kam“ und „Die Anderen“).
Luthers große Sorge war es, sein Freiheitsverständnis (seine Botschaft „von der Freiheit eines Christenmenschen“) könne als Legitimation zur Abschaffung ungerechter Lebensverhältnisse und friedenserhaltender obrigkeitlicher Ordnung sowie zur Anwendung von Gewalt benutzt werden. Seine Furcht, seine Predigt des Evangeliums könne als Lehre zu Aufruhr missbraucht werden, fand für ihn schockierende Bestätigung im Bauernkrieg. Politik und Religion vermischten sich für ihn hier in einer nicht zu verantwortenden Weise, die er aber ungewollt selbst mit hervorgerufen hatte. Deshalb wollte er zeigen, dass die neue Glaubensbewegung nicht auf die Schwächung der Ordnungsmächte zielte, sondern an deren Stabilisierung interessiert war.
Luther kritisierte zwar, dass die Fürsten
-Namen und Sache Christi missbrauchten;
-Gewissen und Glauben der Untertanen bestimmen wollten und drangsalierten;
-selten klug und noch seltener fromm seien, sondern ihr Verhalten eine gottwidrige Sünde;
-für ihren eigenen Nutzen sorgten statt für den ihrer Untertanen.
Er billigte ihnen aber zu, „das weltliche Schwert und Recht“ zu gebrauchen, zur Strafe der Bösen und zum Schutz der Frommen. Die Wirkung seiner Schrift von 1520 "An den christlichen Adel deutscher Nation: Von des christlichen Standes Besserung" hätte Luther bereits desillusionieren können, da Klagen und Mahnungen gegenüber dem Adel nichts ausgerichtet hatten; dennoch blieb für ihn der Aufruhr gegen die Obrigkeit eine noch größere Sünde. Mit seiner Zwei-Reiche-Lehre hoffte er die politischen Umwälzungen aufzuhalten, auch wenn er etliche unter den Zwölf Artikeln der Bauern als „billig und recht“ ansah.
Für die Stellung gegenüber Frage des Friedens Luthers spielte sein Menschenbild eine entscheidende Rolle. „…kein Mensch [ist] von Natur Christ oder fromm, sondern allzumal Sünder und böse“, es helfe „dabei nicht, getauft zu sein und sich Christ zu nennen“, sondern „die Menge ist und bleibt Unchristen“; deshalb „wehret ihnen Gott allen durchs Gesetz.“
Zum Krieg und zur Situation des Soldaten positionierte Luther sich eindeutig:
-Die Schutzfunktion der Obrigkeit rechtfertigt den Verteidigungskrieg, nicht den Angriffskrieg. Der Staat ist zuständig für die Sicherung der äußeren Ordnung und des äußeren Friedens;
-wer den Krieg anfängt, ist im Unrecht.
-Gesetz und Gewalt sind um der Ungerechten wegen dem weltlichen Regiment gegeben, das geistliche Regiment (alle Christen) kennt keinen Krieg untereinander;
-selbst der Christ muss um des Nächsten willen, für den er lebt und dem er dient, töten.
-Um seiner selbst willen sollte der Christ Gewalt nicht mit Gegengewalt beantworten, sondern Unrecht leiden. Bei weltlicher Provokation sollte versucht werden, das Unrecht mit dem Recht zu überwinden.
-Wenn ein Herrscher durch Gewaltanwendung gegen ein Unrecht, ein größeres Unrecht bewirkte, sollte er nicht auf sein Recht pochen.
-Wird von Gegnern eine Friedensofferte nicht angenommen, so ist der Krieg erlaubt, aber der christliche Herrscher darf nicht das eigne Wohl suchen, sondern nur das Wohl seiner Untertanen.
-Kriegsleute können in seligem Stande sein, wenn der Krieg unvermeidlich ist. Allerdings bekommen nur die Verteidiger den Segen; die Soldaten des Angreifers sollen bei Kriegsausbruch desertieren. Auch wenn ein Herrscher Unrecht hat, muss das Volk ihm nicht folgen.
-Römer 13 und die Bergpredigt gelten beide auch im Hinblick auf Krieg und Frieden.
Zur Erhaltung der friedlichen Ordnung gehörte für Luther aber auch die Einrichtung christlicher Schulen und Investitionen in Bildung. Außer den traditionellen Lehrgegenständen wie Sprachen und Künsten forderte er ebenfalls geschichtliche Bildung. In "Eine Predigt, dass man Kinder zur Schulen halten solle" von 1530 werden dem weltlichen Regiment pädagogische Aufgaben im Dienst des Friedens, des Rechts und des Lebens zugewiesen.
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