6.1 Reformation Heute
In diesem Modul gehen wir der Frage nach, wie die Reformation heute nachwirkt. Drei zentrale Punkte sollen dies anschaulich machen. Zuerst werden die Erinnerungskultur, die Reformatoren und Ereignisse, die vor rund 500 Jahren geschehen sind, für uns heute präsent macht. Weiterhin wird die konfessionelle Situation im Land betrachtet (konfessionelle Verschiedenheit römisch-katholischer und protestantischer Kirchen; unterschiedliche Gliedkirchen der EKD; Suche nach konfessionsübergreifender Zusammenarbeit). Abschließend wird der Umgang mit Lebensthemen wie einem der zentralen Themen der Reformationszeit, der Umgang mit der Angst, untersucht.
Inhaltliche Einführung
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Die Reformation war ein historisches bedeutsames Ereignis, das eine breite Erinnerungskultur nach sich zog und immer noch zieht, wie das aktuelle Jubiläum 2017 zeigt. Jedes Jahr feiern evangelische Christen am 31. Oktober den Reformationstag. Mit Gottesdiensten und Aktionen erinnern sie an die Geschichte und Aktualität der Reformation. Die Konkurrenz zu „Halloween“ seit den 1990er Jahren führte dazu, dass Protestanten den Tag selbstbewusster feiern und dessen Bedeutung hervorheben. Aktionen wie „Hallo Luther“ oder die „Churchnight“ richten sich hierbei besonders an Jugendliche.
Dann gibt es viele Erinnerungsorte, die nach Personen der Reformationszeit benannt sind. Dazu gehören Kirchengebäude und Gemeinden, Häuser und Schulen, Straßen und Plätze und sogar Städte wie die „Martin-Luther-Stadt“ Wittenberg, die Melanchthon-Stadt Bretten oder die Sickingen-Stadt Landstuhl.
Erinnerungskultur zeigt sich auch in Denkmälern und Bildern oder Filmen. In vielen Städten finden sich Luther-Denkmäler, die meist im 19. Jahrhundert entstanden sind. Sie ermöglichen eine Begegnung mit dem Thema Reformation vor Ort und zeigen, wie man die reformatorischen Ereignisse damals interpretierte. Aktuell erinnern die bunten Plastik-Lutherfiguren von Ottmar Hörl (Aktion Wittenberg 2010) und der Playmobil-Luther an den Reformator.
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Die konfessionelle Prägung in Deutschland ist ein zweites Beispiel, wie die Reformation heute nachwirkt. Hanns Dieter Hüsch (1925 – 2005) gab einmal zu bedenken: „Wenn Gott sich in einem Hotel eintragen müsste, er wüsste gar nicht, was er unter `Konfession´ schreiben sollte.“ Der Kabarettist hatte dabei vor Augen, dass vielen Menschen heute die konfessionelle Vielfalt kaum mehr vertraut ist. Dahinter steht ein „Traditionsabbruch“, wie die EKD-Denkschrift „Identität und Verständigung“ (2003) den seit rund 50 Jahren spürbaren Rückgang der konfessionellen Prägung beschreibt. Dieser ist insbesondere im Osten und Norden Deutschlands sowie in Großstädten erkennbar. Wenn sich Anhänger der Reformationskirchen heute evangelisch, protestantisch, lutherisch, reformiert oder uniert nennen, muss dies historisch und theologisch entschlüsselt werden. Evangelische Landeskirchen stehen teils in der Tradition ehemaliger, selbständiger Territorien, die konfessionell unterschiedlich orientiert waren. Lutherische Landeskirchen beziehen sich in der Regel auf Bekenntnisschriften aus der Feder von Martin Luther und Philipp Melanchthon (besonders die Confessio Augustana 1530) sowie auf Luthers Katechismen. Reformierte Kirchen beziehen sich auf die Reformatoren Huldrych Zwingli und Johannes Calvin und haben als Bekenntnisgrundlage den Heidelberger Katechismus von Zacharias Ursinus. Unierte Kirchen, heute die Mehrzahl der evangelischen Landeskirchen, vereinen lutherische und reformierten Traditionen. So besteht die Aufgabe darin, konfessionell geprägte Begriffe sowie die Beziehungen der Konfessionen zueinander und deren Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche zu klären. Dabei gilt es, das ökumenische Miteinander zu untersuchen und zu klären, was eint und was trennt. Hierbei gibt es sogar Ansätze, das Reformationsjubiläum nicht als trennendes, sondern als gemeinsames Ereignis zu feiern.
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Ein dritter Aspekt betrifft eines der zentralen Themen der Reformation, der Angst vor Gott und vor den Strafen im Jenseits. Diese Angst kann lähmen, wie dies am Beispiel Martin Luthers deutlich wurde, der Angst vor der Strafe Gottes im Jüngsten Gericht hatte, wie die meisten seiner Zeitgenossen. Diese Angst führte ihn ins Kloster, wo er weiter auf der Suche nach der Versöhnung mit Gott war. Die Überwindung dieser Angst nannte er später „Pforten zum Paradies“, und sie gelang ihm durch die reformatorische Entdeckung, dass der Mensch durch den barmherzigen Gott angenommen und gerechtfertigt ist. Umgang mit der Angst, sie sich einzugestehen und durch das Vertrauen in Gott zu überwinden, ist damit eine Aufgabe, die auch in der heutigen Zeit von Bedeutung ist.
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